20.11.2023_Warum seit ihr nicht in Wien geblieben?
…ja warum eigentlich nicht?
„Warum sats ned afoch in Wien blieben“ fragt mich Teenagerkind 1 wieder einmal mit leicht vorwurfsvollem Unterton.
Wir fahren gerade mit unseren Kindern 1, 2 & 3, nach Besichtigung vom frisch geborenen Neffen/Cousin, aus Wien zurück nach Garsten.
Hauptanklagepunkt insbesondere von Kind 1 und 2: Vorsätzlicher Raub einer coolen Kindheit - was das auch immer sein soll - in Wien.
Ja, warum sind wir eigentlich nicht in Wien geblieben. Wir hatten ja alles.
Wir hatten uns. Wir hatten eine gemütliche, ruhige, große Wohnung mit Blick auf Garten und Altbaumbestand im 18. Gemeindebezirk. Wir hatten gut bezahlte Arbeit. Wir hatten eine Geburtsklinik in Gehweite, zu der ich 3 Mal rübermarschiert bin um ein Kind zu bekommen. Wir hatten einen großen Park gleich nebenan, in dem wir die ersten Kinderjahre Runde um Runde mit dem Kinderwagen gezogen und Stunden am Spielplatz verbracht haben. Kindergartenplätze ein paar Häuser weiter. Ein Kaffeehaus ums Eck wo man uns schon kannte. Das Schafbergbad 3 Bim-Stationen in die eine Richtung und die (meiner Meinung nach) beste Buchhandlung Wiens in die andere Richtung.
Wir fahren gerade mit unseren Kindern 1, 2 & 3, nach Besichtigung vom frisch geborenen Neffen/Cousin, aus Wien zurück nach Garsten.
Hauptanklagepunkt insbesondere von Kind 1 und 2: Vorsätzlicher Raub einer coolen Kindheit - was das auch immer sein soll - in Wien.
Ja, warum sind wir eigentlich nicht in Wien geblieben. Wir hatten ja alles.
Wir hatten uns. Wir hatten eine gemütliche, ruhige, große Wohnung mit Blick auf Garten und Altbaumbestand im 18. Gemeindebezirk. Wir hatten gut bezahlte Arbeit. Wir hatten eine Geburtsklinik in Gehweite, zu der ich 3 Mal rübermarschiert bin um ein Kind zu bekommen. Wir hatten einen großen Park gleich nebenan, in dem wir die ersten Kinderjahre Runde um Runde mit dem Kinderwagen gezogen und Stunden am Spielplatz verbracht haben. Kindergartenplätze ein paar Häuser weiter. Ein Kaffeehaus ums Eck wo man uns schon kannte. Das Schafbergbad 3 Bim-Stationen in die eine Richtung und die (meiner Meinung nach) beste Buchhandlung Wiens in die andere Richtung.
Eigentlich hätte es ewig so weitergehen können.
Naja, vielleicht nicht mit allem.
Nicht mit Entbindungen in Gehweite – die Semmelweis Frauenklinik wurde ja mittlerweile geschlossen und die Räumlichkeiten zu Luxuswohnungen, Kunst- und Kulturzentrum u. ä. umfunktioniert.
Das Lieblings-Kaffeehaus Lintner hat zugesperrt und ist mittlerweile die 25. Kurkonditorei Oberlaa.
Immerhin der Türkenschanzpark ist schön wie eh und je und die Buchhandlung Hartlieb in der Währingerstrasse ist auch unverändert.
Trotz aller Vorzüge in unserer Wiener Hood schlich sich die Idee mit zurück nach OÖ unaufhaltsam in unsere Köpfe.
Angefangen hats mit zunehmend regelmäßigen Besuchen am Fuxengut zwecks Oma-Opa-sehen bzw. zwecks Kinder bei Oma-Opa abladen um ein bisschen Freiheit für die Jungeltern rauszuschinden.
Dazu kam die Idee eines eigenen großen Wochenend-Gemüsegartens am Fuxengut – immerhin will man sich auch in der Großstadt halbwegs gesund ernähren.
So hätte also eigentlich alles beim Alten bleiben können.
Hätte 2015 der langjährige Pächter der landwirtschaftlichen Flächen des Fuxenguts nicht angekündigt, diese zurückzugeben.
Die knapp 6 Hektar Grund in Familienbesitz am Fuxengut waren ja – aus Mangel an innerfamiliären, landwirtschaftlichen Ambitionen, jahrzehntelang verpachtet.
Nun wurde in der Familie also diskutiert was man jetzt mit den Feldern machen sollte. Neuen Pächter suchen - aber wen?
Kannst du dir das vorstellen?... ein eigener Betrieb?...Selbstständig arbeiten?...Gemüsebau? ..was rentiert sich da anzubauen? Wo verkaufen wir das Zeug dann?... ..kann man von sowas leben? Keine Ahnung.
Die skeptischen Eltern und Schwiegereltern tippten ohne Umschweife und mit großer Überzeugung auf Nein, kann man sicher nicht. Um Himmels Willen, ihr wollt Bauern werden?
Dem Krabbelstuben und Kindergarten-bedingt angewöhnten Wienerisch-Deutsch unserer Kinder versuchte ich aus heimatlichen Sentimentalitätsgründen schon lange mit mäßigem Erfolg entgegenzusteuern.
Beim abendlichen Vorlesen wechselte ich schon früh von Hochdeutsch auf Oberösterreichisch.
Als ich eines Abends gefragt wurde „Mama, du ich versteh dich nicht. – sprichst du Englisch?“ war mir entgültig klar. Jetzt ist Feuer am Dach.
Mit Mann, 3 Kindern und erfolgsversprechenden Zukunftsideen im Gepäck kehrte ich also Wien den Rücken. Die Kinder habe ich nicht gefragt. Ned bös sein.
Aber wie fängt man eine Landwirtschaft an - als absoluter Anfänger .
Betriebskonzept mit Hilfe von mehr oder weniger motivierten Beratern der Bezirksbauernkammer erstellen. Betriebsnummer bekommen (Yes!) und bei der Sozialversicherung der Bauern versichert werden (klang in meinen Ohren fürs erste irgendwie uncool).
Sich innerhalb der Familie nach möglichen Kreditgebern für anstehende Investitionen umschauen.
Der Betrieb braucht ein Gesicht, ein Logo, einen Eingang, ein Gewächshaus. Igor wurde zum Baumeister. Folientunnel, Seminarraum, Büro planen und bauen. Lustig war das manchmal nicht und ohne Feierabendbier und mentalem Aufbautraining schwer zu bewältigen.
Naja, vielleicht nicht mit allem.
Nicht mit Entbindungen in Gehweite – die Semmelweis Frauenklinik wurde ja mittlerweile geschlossen und die Räumlichkeiten zu Luxuswohnungen, Kunst- und Kulturzentrum u. ä. umfunktioniert.
Das Lieblings-Kaffeehaus Lintner hat zugesperrt und ist mittlerweile die 25. Kurkonditorei Oberlaa.
Immerhin der Türkenschanzpark ist schön wie eh und je und die Buchhandlung Hartlieb in der Währingerstrasse ist auch unverändert.
Trotz aller Vorzüge in unserer Wiener Hood schlich sich die Idee mit zurück nach OÖ unaufhaltsam in unsere Köpfe.
Angefangen hats mit zunehmend regelmäßigen Besuchen am Fuxengut zwecks Oma-Opa-sehen bzw. zwecks Kinder bei Oma-Opa abladen um ein bisschen Freiheit für die Jungeltern rauszuschinden.
Dazu kam die Idee eines eigenen großen Wochenend-Gemüsegartens am Fuxengut – immerhin will man sich auch in der Großstadt halbwegs gesund ernähren.
So hätte also eigentlich alles beim Alten bleiben können.
Hätte 2015 der langjährige Pächter der landwirtschaftlichen Flächen des Fuxenguts nicht angekündigt, diese zurückzugeben.
Die knapp 6 Hektar Grund in Familienbesitz am Fuxengut waren ja – aus Mangel an innerfamiliären, landwirtschaftlichen Ambitionen, jahrzehntelang verpachtet.
Nun wurde in der Familie also diskutiert was man jetzt mit den Feldern machen sollte. Neuen Pächter suchen - aber wen?
Kannst du dir das vorstellen?... ein eigener Betrieb?...Selbstständig arbeiten?...Gemüsebau? ..was rentiert sich da anzubauen? Wo verkaufen wir das Zeug dann?... ..kann man von sowas leben? Keine Ahnung.
Die skeptischen Eltern und Schwiegereltern tippten ohne Umschweife und mit großer Überzeugung auf Nein, kann man sicher nicht. Um Himmels Willen, ihr wollt Bauern werden?
Dem Krabbelstuben und Kindergarten-bedingt angewöhnten Wienerisch-Deutsch unserer Kinder versuchte ich aus heimatlichen Sentimentalitätsgründen schon lange mit mäßigem Erfolg entgegenzusteuern.
Beim abendlichen Vorlesen wechselte ich schon früh von Hochdeutsch auf Oberösterreichisch.
Als ich eines Abends gefragt wurde „Mama, du ich versteh dich nicht. – sprichst du Englisch?“ war mir entgültig klar. Jetzt ist Feuer am Dach.
Mit Mann, 3 Kindern und erfolgsversprechenden Zukunftsideen im Gepäck kehrte ich also Wien den Rücken. Die Kinder habe ich nicht gefragt. Ned bös sein.
Aber wie fängt man eine Landwirtschaft an - als absoluter Anfänger .
Betriebskonzept mit Hilfe von mehr oder weniger motivierten Beratern der Bezirksbauernkammer erstellen. Betriebsnummer bekommen (Yes!) und bei der Sozialversicherung der Bauern versichert werden (klang in meinen Ohren fürs erste irgendwie uncool).
Sich innerhalb der Familie nach möglichen Kreditgebern für anstehende Investitionen umschauen.
Der Betrieb braucht ein Gesicht, ein Logo, einen Eingang, ein Gewächshaus. Igor wurde zum Baumeister. Folientunnel, Seminarraum, Büro planen und bauen. Lustig war das manchmal nicht und ohne Feierabendbier und mentalem Aufbautraining schwer zu bewältigen.
Die ersten Anbauversuche: Kartoffeln, Salate, Tomaten und Wurzelgemüse.
Sponsioniert, promoviert...Kartoffelkäfer, Blattlaus und Mehltau blieben von unserem Bildungsweg gänzlich unbeeindruckt.
So werden wir nicht reich war die Erkenntnis im ersten Jahr.
Sponsioniert, promoviert...Kartoffelkäfer, Blattlaus und Mehltau blieben von unserem Bildungsweg gänzlich unbeeindruckt.
So werden wir nicht reich war die Erkenntnis im ersten Jahr.
Das zweite Jahr sollte besser werden. Man lernt mit dem Gewächshausanbau umzugehen. Man findet neue Möglichkeiten der Vermarktung, neue Abnehmer und steht plötzlich 3 Mal pro Woche am Markt.
Zwischendurch fragt man sich insgeheim, ob man das eigentlich wirklich will.
Die nächsten 25, 30 Jahre. Bei jedem Wetter.
Mit leichtem Zweifel seh ich mich am Steyrer Stadtplatz als wettergegerbtes Marktweib in den 2060ern. Immer noch mit der Blechkassa meines Großvaters die dann mittlerweile schon über 100 Jahre alt ist.
Zwischendurch fragt man sich insgeheim, ob man das eigentlich wirklich will.
Die nächsten 25, 30 Jahre. Bei jedem Wetter.
Mit leichtem Zweifel seh ich mich am Steyrer Stadtplatz als wettergegerbtes Marktweib in den 2060ern. Immer noch mit der Blechkassa meines Großvaters die dann mittlerweile schon über 100 Jahre alt ist.
Aber warum eigentlich nicht?
Nach einem langen Arbeitstag sitzen wir bei einer Flasche Wein, die Finger wurdln immer noch von der Kälte draussen…aber wir sind absolut sicher, dass es ganz genau das Richtige ist für uns.
Genau deshalb sind wir nicht in Wien geblieben liebe Kinder.
Was bleibt von meiner Wiener Zeit:
Der jährliche Altwiener Suppentopf…so nenne ich das traditionelle Herbst-Thermenwochenende mit meinen ehemaligen Wiener Nachbarinnen, die mittlerweile auch schon alle aus der Bastiengasse in Wien Währing ausgezogen sind.
Ich freu mich aufs kommende Wochenende wenn wir 3 müden Frauen wieder im warmen Thermalwasser vor uns hindämmern.
Dann kann die Kälte kommen - ich bin ausreichend aufgeheizt für die anstehenden Wintermonate auf Markt und Feld.
Nach einem langen Arbeitstag sitzen wir bei einer Flasche Wein, die Finger wurdln immer noch von der Kälte draussen…aber wir sind absolut sicher, dass es ganz genau das Richtige ist für uns.
Genau deshalb sind wir nicht in Wien geblieben liebe Kinder.
Was bleibt von meiner Wiener Zeit:
Der jährliche Altwiener Suppentopf…so nenne ich das traditionelle Herbst-Thermenwochenende mit meinen ehemaligen Wiener Nachbarinnen, die mittlerweile auch schon alle aus der Bastiengasse in Wien Währing ausgezogen sind.
Ich freu mich aufs kommende Wochenende wenn wir 3 müden Frauen wieder im warmen Thermalwasser vor uns hindämmern.
Dann kann die Kälte kommen - ich bin ausreichend aufgeheizt für die anstehenden Wintermonate auf Markt und Feld.
Aja,und den Kindern bleibt es natürlich offen, in ein paar Jahren zurück nach Wien zu ziehen…
Bis dahin gibt’s zwar kein Schafbergbad aber ein Garstnerbad, keine Hartlieb- aber eine Ennsthaler Buchhandlung und Park- und Kaffehausersatz gibt’s sowieso mehr wie genug.
Und wer weiß, vielleicht zieht es den einen oder anderen dann mit Mitte 30 auch wieder zurück aufs Fuxengut…so wie mich.
Ich kanns nur empfehlen.
Bis dahin gibt’s zwar kein Schafbergbad aber ein Garstnerbad, keine Hartlieb- aber eine Ennsthaler Buchhandlung und Park- und Kaffehausersatz gibt’s sowieso mehr wie genug.
Und wer weiß, vielleicht zieht es den einen oder anderen dann mit Mitte 30 auch wieder zurück aufs Fuxengut…so wie mich.
Ich kanns nur empfehlen.